Die Grundschule Adensen-Hallerburg ist eine kleine Schule mit nicht mal 80 Kindern, verteilt auf vier Klassen.

Für die CJD Grundschule Adensen-Hallerburg heißt Inklusion: Alle ziehen an einem Strang. An der Grundschule in Niedersachsen gehört inklusives Lehren, Lernen und Leben zu den Kernkompetenzen. Im Rahmen des zweijährigen Programms der Evangelischen Schulstiftung in der EKD „Gemeinsam in die Inklusion“ bringt ein Workshop die inklusive Schulentwicklung voran. Lassen Sie sich von uns mitnehmen in ein Schulporträt, das inspirieren soll.

Individuell ausgearbeitete Ideen

Porträt der CJD Grundschule Adensen-Hallerburg.

Kein Lautsprecher-Gong ertönt als Pausenzeichen, sondern die Schüler läuten eine Handglocke.

Jan ist ganz bei sich. Der große, kräftige Junge, der nicht immer weiß, wohin mit sich und seinem Temperament, schneidet geduldig und voller Konzentration blaue Hoffnungsblumen aus Papier aus. Neben dem Viertklässler sitzt ein FSJler. Jan macht beim Workshop der Initiative Neues Lernen (INL) mit, zusammen mit fünf anderen Kindern aus seiner Schule, einigen Eltern, der pädagogischen Mitarbeiterin für die Mittagsbetreuung (Hauswirtschaftskraft), allen sechs Lehrer*innen plus Susanne Lilje, der Schulleiterin und Günther Werner, ihrem Stellvertreter. Bei diesem Workshop, der von der Evangelischen Schulstiftung in der EKD im Rahmen der Programmlinie „Gemeinsam in die Inklusion“ veranstaltet wird, geht es in einem Halbzeitworkshop darum, wie Inklusion als fortwährender Prozess im Schulalltag stringent umgesetzt werden kann: nicht mit übergestülpten Konzepten, sondern mit individuell ausgearbeiteten Ideen, die genau zur Schule, dem Kollegium und natürlich zu den Schüler*innen passen.

Inklusion hört nicht an der Schultür auf

An der CJD Grundschule Adensen-Hallerburg steht zehn der insgesamt 75 Kinder Förderung zu. Ihre Bedarfe sind sehr unterschiedlich, einige Mädchen und Jungen haben eine Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Dyskalkulie, bei anderen liegt der Förderbedarf eher im emotional sozialen Bereich. Deswegen kann man sagen: Die Kinder haben einen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung in den Bereichen geistige Entwicklung, Lernen, emotionale und soziale Entwicklung. Darüber hinaus gibt es in den Klassen noch Kinder mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, Wahrnehmungsstörungen oder anderen Beeinträchtigungen. „Der Workshop ist partizipativ aufgebaut“, erklärt Workshop-Leiterin Tina Simon von INL. „Inklusion heißt für uns, alle ziehen an einem Strang. Deshalb sind natürlich auch Schüler wie Jan mit dabei.“ Und nicht nur sie, sondern auch Lehrer*innen und Schulbegleiter*innen – und Eltern. Denn wenn alle an einem Strang ziehen, gehören die Familien der Kinder selbstverständlich dazu. Inklusion hört eben nicht an der Schultür auf.

Bereitschaft, weiterhin auf Entdeckungsreise zu gehen

Es ist der zweite Inklusions-Workshop in der CJD Grundschule Adensen-Hallerburg, den INL durchführt. Am Anfang gibt es für alle Teilnehmenden ein dickes Lob: „Ich finde die Atmosphäre hier toll“, sagt Workshop-Leiterin Tina Simon. Sie spüre ganz deutlich die Bereitschaft der Schule, weiterhin auf Entdeckungsreise zu gehen, und sehe erste Schritte, die sich gelohnt haben. Die Bedingungen dafür kann man fast schon ideal nennen. Die Grundschule Adensen-Hallerburg ist eine kleine Schule mit nicht mal 80 Kindern, verteilt auf vier Klassen in einem zweistöckigen, mehr als hundert Jahre alten Backsteinbau. So stellt man sich die Schule aus Astrid Lindgrens Klassiker „Wir Kinder aus Bullerbü“ vor – mit einem Pflaumenbaum auf dem Pausenhof und Sträuchern zum Versteckenspielen. Tiere gibt es auch – riesige Schnecken, mit denen man Wettkriechen veranstalten kann, und zwei Schulhunde, Moon und Joker. Wenn die Schulstunde um ist, dröhnt nicht etwa ein Lautsprecher-Gong durchs Gebäude, sondern eines der Kinder läutet mit einer Handglocke. Klingt idyllisch, ist es auch. Was fehlt? „Leider ist die Schule nicht barrierefrei, aber wenn wir die entsprechenden Gelder beisammenhaben, soll ein ergänzender Neubau auf dem hinteren Schulhof entstehen. Und wir wollen die Scheune ausbauen“, sagt Schulleiterin Susanne Lilje. Platz für einen Anbau sei auch noch, und den werde man dann natürlich barrierefrei planen.

Ziel: Eigenverantwortliches Lernen fördern

Übergreifender Projektunterricht an der CJD Grundschule Adensen-Hallerburg.

Der Sachunterricht wurde jahrgangsübergreifend auf vier verschiedene Lerngruppen aufgeteilt: Zum Beispiel Getreidememory.

Nicht nur die äußerlichen Bedingungen sehen in Adensen-Hallerburgsehr gut aus: Für die Schüler*innen sind neben den Lehrer*innen acht Schulbegleiter*innen und drei FSJler*innen da. Auch das – kombiniert mit ebenfalls von der Evangelischen Schulstiftung in der EKD finanzierten Coachings für die Schulleitung und die Lehrkräfte – macht es leichter, die Vorhaben umzusetzen, die in den Integrationsworkshops erarbeitet wurden. Und klar, dass in einer kleinen Schule wie in Adensen-Hallerburg Abstimmungsprozesse viel leichter zu handhaben und umzusetzen sind. Als eines der Ziele im Auftaktworkshop vor einem Jahr formulierten die Teilnehmenden, das eigenverantwortliche Lernen zu fördern. „Die Kinder sollen dazu befähigt werden, selbstständig an Aufgaben heranzugehen, indem sie sich diese erschließen und selbst einschätzen, welche Schwierigkeitsstufe, welche Materialien und welche Sozial- und Arbeitsformen geeignet sind“, heißt es in der schriftlich fixierten Vereinbarung. Inklusion heißt auch, für sich selbst zu sorgen und das eigene Potenzial richtig einschätzen zu können.

Projektorientierte Umstellung des Sachunterrichtes

Wie das konkret aussehen kann, sieht man jeden Mittwoch. Aufgeteilt auf vier Lerngruppen arbeiten die Kinder jahrgangsübergreifend zu unterschiedlichen Themen aus dem Bereich Sachkunde. Dabei steht jeweils eine Lehrkraft unterstützend und beratend zur Seite. In der Gruppe von Lehrerin Katja Dettmann-Scholz etwa geht es um Bauen und Konstruieren. Eric und Adrian aus der dritten Klasse kleben zusammen aus Pappe und Stöcken eine Brücke. Stabilisiert wird das Bauwerk mit Fäden. Ted konstruiert aus Zahnstochern und Knete einen Riesenturm. Im Raum nebenan beschäftigen sich die Kinder mit Getreide. Während Enya und Ines aus der zweiten Klasse Getreidekörner zu Bildern zusammensetzen, machen andere beim Getreidememory mit. Im zweiten Stock bereiten sich die Viertklässlerinnen Hanna und Hannah auf die Fahrradprüfung vor. Andere Kinder malen derweil Verkehrsschilder aus. „Wir finden diese projektorientierte Umstellung des Sachunterrichtes an unserer Schule absolut sinnvoll“, sagt Schulleiterin Susanne Lilje. „Die Kinder sind sehr motiviert; auch weil sich jedes Kind in seinem individuellen Tempo, seinen Vorlieben und Fähigkeiten angesprochen und abgeholt fühlt. Das passt zu unserem Inklusionsgedanken.“

Kein Gleichmarsch für alle

Projektorientierte Umstellung Sachunterricht Projekt Schnecke.

Hier lernen die Kinder am lebendigen Objekt.

Schon als sie vor drei Jahren diese Stelle angetreten habe, sei ihr klar gewesen, dass man Inklusion handlungsorientiert begreifen müsse. Susanne Lilje: „Wir können das nicht im Gleichmarsch für alle 22 Kinder einer Klasse umsetzen, sondern wir müssen zieldifferenziert denken. So, wie das für jedes Kind passt.“ Und es gäbe auch Drittklässler*innen, die eben lieber beim Getreidebilderkleben ihre Feinmotorik schulen, und Erstklässler*innen, die sich mit Sachtexten zum Getreideanbau beschäftigen. Beim Halbzeitworkshop fragt Tina Simon vor allem die Schüler*innen, welcher „Ideen Samen“ denn gut ausgesät und groß gewachsen sei und welche Hoffnungsblume vielleicht noch etwas Wasser und Dünger brauche. Toll finden alle die Naturverbundenheit der Schule, die Riesenschnecken, die Schulhunde, den wilden Schulhof, auf dem man so gut spielen kann. „Und den Pflaumenbaum“, meint Hanna. Sie vermisst aber eine Leseecke. Lehrerin Katja mag die Morgenbegrüßung, wenn alle Schüler*innen, Lehrer*innen und Schulbegleiter*innen zusammen ein Lied singen, die Gottesdienste in der Kirche im Nachbardorf, die Weihnachtskonzerte. Was fehlt, meint Schulbegleiterin Alex, sei mehr Konsequenz, wenn sich Kinder nicht an Regeln halten.

Alle Schulen sollten Inklusionsschulen sein

An der CJD Grundschule Adensen-Hallerburg steht zehn der insgesamt 75 Kinder Förderung zu.

In Adensen-Hallerburg wird so unterrichtet, wie es für jedes Kind individuell passt.

Im Grunde ist eine inklusive Schulentwicklung stets eine Entwicklung der Gesamtschule mit all ihren Facetten, Spielarten und Möglichkeiten. Es ist fast ein Unding, dies voneinander abzutrennen. Die Übergänge sind zahlreich und fließend. Jan hat die Hoffnungsblumen fertig ausgeschnitten. Die meisten sind richtig groß, mit stabilem Stängel und schönen Blüten. Ein Symbol für hoffnungsvolle Inklusionsarbeit, bei der alle mitgenommen werden können. „Alle Schulen sollten Inklusionsschulen sein“, findet Schulleiterin Susanne Lilje. Wenn es so läuft wie in Adensen-Hallerburg, kann man ihr nur zustimmen.

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