Im Rahmen der Impulsvorträge zur „KI-Strategie für Schulen in evangelischer Trägerschaft“ hat Prof. Dr. Birte Platow von der TU Dresden die Frage aufgeworfen, wie sich ein christliches Menschenbild auf die Haltung gegenüber KI auswirkt und welche Potentiale zum Umgang mit KI in diesem Menschenbild stecken.
Einsatz von KI in der praktischen Kirchenarbeit
Längst beschäftigt sich auch die evangelische Kirche mit Künstlicher Intelligenz. Sie gestaltet Gottesdienste mit KI-Unterstützung und erprobt Seelsorge-Roboter. Evangelische Jugendarbeit nutzt KI-Anwendungen bei unterschiedlichen Veranstaltungsformaten. Und auch für evangelische Schulen ist das Thema präsent, sie gestalten es sehr aktiv. Mit Fragen und Hoffnungen, mit Begeisterung und Zurückhaltung. In der Regel sind es sehr persönliche Haltungen, die dabei angeregt werden, wenn wir mit KI und den Auswirkungen auf Gesellschaft und konkrete Lebenserfahrungen konfrontiert sind.
Nimmt KI eine quasi-religiöse Stellung ein?
Können wir unserer Wahrnehmungsfähigkeit, unserer Urteilskraft und Entscheidungsfindung noch trauen, wenn sie zunehmend auf Daten gründet, die uns nicht direkt zugänglich sind und die möglicherweise sogar Interessen Dritter dienen? Wie oft liegen Entscheidungsfindungen noch in menschlicher Hand? Wenn wir KI als omnipräsent, omnipotent und omniscient erleben, nimmt KI dann vielleicht eine quasi-religiöse Stellung ein? Wir hoffen darauf, dass sich für Herausforderungen und Probleme eine technische Lösung findet und verlagern die Erfüllung dieser Hoffnung in einen Raum, der sich unserem direkten Zugriff entzieht.
Christlicher Glaube vs. „Maschinenlogik“
Aktuell fühlen sich viele Menschen der Maschine tendenziell unterlegen, weil wir uns in einer Analogie zur Maschine betrachten (was jedoch in der Geschichte der Mensch-Technik-Beziehung keine Neuerung ist). In dieser Situation müssen wir pädagogische Prozesse so gestalten, dass wir die Herausbildung von Individualität und Identität ermöglichen. Dazu bietet uns der christliche Glaube viele wertvolle Anknüpfungspunkte – nicht zuletzt im Verständnis der Leiblichkeit, der Verletzlichkeit und der Einzigartigkeit unserer Schöpfung. In dieser sind wir nämlich als Menschen von Geburt an vollkommen und nicht – wie in der „Maschinenlogik“ – ein defizitäres Objekt, das vom Wert „0“ zum Wert „1“ geführt werden muss.
Pädagogische Interventionen laufen im besten Falle genaue andersherum: Ausgangspunkt ist ein Subjekt mit vorhandenen Stärken und Fähigkeiten. Vor diesem Hintergrund werden Entwicklungs- und Lernziele definiert und ein gemeinsamer Weg gestaltet. KI kann bei der Gestaltung des Weges helfen – aber wir sollten die Verantwortung für Beginn und Ende des Weges nicht aus der Hand geben und dabei ein – im besten Sinne – protestantisches Profil sichtbar machen.