An der 2018 neu gegründeten Evangelischen Schule für Sozialwesen Hans Georg Anniès in Moritzburg können sich junge Erwachsene zu Erzieher*innen und Sozialassistent*innen ausbilden lassen.

Erzieher*innen dringend gesucht! Besonders in diesem Bereich ist die Nachfrage nach Fachkräften hoch. An der 2018 neu gegründeten Evangelischen Schule für Sozialwesen Hans Georg Anniès in Moritzburg können sich junge Erwachsene zu Erzieher*innen und Sozialassistent*innen ausbilden lassen. Die Schüler*innen mögen die familiäre Atmosphäre, zu der auch die evangelische Ausrichtung beiträgt. Ein Ortsbesuch.

Mit Herz und Mut gegen den Fachkräftemangel

Pflegekurs an der Evangelischen Schule für Sozialwesen Hans Georg Anniès mit Lehrerin Steffi Bahr-Moh und 14 Schüler*innen.

„Nächste Woche sind Sie dran“: Pflegekurs-Lehrerin Steffi Bahr-Moh setzt auf tatkräftige Praxis.

Unterrichtswoche zwei nach den großen Ferien, Lernfeld Pflege für die neue Sozialassistenten-Klasse. Manche der 14 Jungs und Mädchen in der Klasse sind gerade mal 16 Jahre alt, viele kommen frisch von der Schule.  „Wer von euch legt sich ins Bett? Freiwillige vor!“ Pflegekurs-Lehrerin Steffi Bahr-Moh deutet resolut in die Raummitte. Das steht ein echtes Pflegebett mit Bettdecke, Seitengittern und Triangel-Griff. Die Klasse kichert, dann meldet sich Sascha, ein auf den ersten Blick eher schüchtern wirkender Junge mit Brille und Baseballkappe. Sascha zieht schon mal die Schuhe aus, während Lehrerin Bahr-Moh Ingo, den Pflegedummy, aus dem Bett hievt und auf‘s Sideboard bugsiert. Dabei fällt Pflegedummy Ingo ein Bein ab. Wieder Gelächter. Sascha hat es sich inzwischen im Bett bequem gemacht. Seine Mitschüler besprechen mit ihrer Lehrerin, welche Hygieneprodukte wofür verwendet werden. Dann zeigt Steffi Bahr-Moh, wie ein Bettlaken eines belegten Bettes gewechselt wird – das klappt erstaunlich schnell und mit wenig Kraftaufwand, wenn man, so wie sie, die richtigen Griffe draufhat. Ruckzuck liegt Sascha auf einem neuen Laken. „Nächste Woche sind Sie dran“, sagt Steffi Bahr-Moh zu ihrer Klasse.

Kurs Gestalterisches Arbeiten an der Evangelischen Schule für Sozialwesen Hans Georg Anniès Moritzburg

Die angehende Erzieherin Maren im Kurs „Gestalterisches Arbeiten“.

Im Raum nebenan steht gestalterisches Arbeiten auf dem Stundenplan. Die kleine Gruppe – es ist die Erzieher*innen-Klasse – um Lehrerin Annett Kellig formt aus selbsttrocknendem Ton Figuren, Tiere, Gefäße. Jede und jeder hat eine andere Idee – Imanuel formt eine Simpsons-Figur, Maren rollt lange dünne Schlangen und drapiert sie auf einer Tonplatte. „Könnte ich mir gut vorstellen, auch mal mit Jugendlichen zu machen“, sagt sie, „plastisches Gestalten ist super, um die Persönlichkeit zu entfalten.“ Sie will später in der Jugendhilfe arbeiten. Einen Klassenraum weiter zeigen die Schülerinnen Anna und Bianca die Materialschränke mit ganz viel Upcycling-Materialien wie Knöpfen, Stoffen, Steinen – und ein ganz besonderes Stück, eine alte Druckerpresse. „Das ist ein Geschenk der Tochter des Namensgebers unserer Schule, Hans Georg Anniès. Anniès war Künstler in Moritzburg und hat außerdem als Diakon gearbeitet“, erklärt Bianca.

Das Schmuckstück „Am Knabenberg“

Die Evangelische Schule für Sozialwesen Hans Georg Anniès Moritzburg ist wirklich ein Schmuckstück: Ein frisch renoviertes, mehr als 100 Jahre altes denkmalgeschütztes Gebäude.

Mit der Eröffnung der Evangelischen Schule für Sozialwesen 2021 erstrahlte die 100 Jahre alte Schule in neuem Glanz.

Voller Stolz führen Anna und Bianca durch ihre Schule. Sie ist wirklich ein Schmuckstück: Ein frisch renoviertes, mehr als 100 Jahre altes denkmalgeschütztes Gebäude. Die Adresse „Am Knabenberg“ verrät die Gründungsgeschichte: Erbaut wurde das malerisch am Ende eine kleine Allee gelegene Ensemble Ende des 19. Jahrhunderts als Schul- und Waisenhaus für mittellose oder verwaiste Jungs, für Knaben. Gegenüber am Ende der Allee lagen das Mädchen- und das Wirtschaftshaus. Zwischenzeitlich diente das Haus, das im Zweiten Weltkrieg enteignet wurde, unter anderem als Heim für schwererziehbare Kinder, als Turnhalle der Nachbarschule  und als Drogenklinik, stand dann leer und war so heruntergewirtschaftet, dass es sogar als Kulisse für einen Dresdner Tatort taugte.

Als 2019 die Evangelische Schule für Sozialwesen vom Evangelisch-Lutherischen Diakonenhaus Moritzburg e. V. eröffnet wurde, war bald klar, dass die neue Schule in die ehemalige Schule am Knabenberg ziehen würde. Insgesamt flossen vier Millionen Euro in die Renovierung der drei unter Denkmalschutz stehenden Gebäude. Nach der Renovierung ging der Schulbetrieb 2021 im Haupthaus los, die Gebäude rechts und links davon beherbergen die Internate. Bislang lernen hier 67 Jungen und Mädchen, eine weitere Klasse wird im nächsten Jahr dazu kommen.  Etwa zwei Drittel der Schüler*innen leben derzeit im Internat. Bianca zum Beispiel. „Ich lerne so, selbständig zu werden“, sagt sie. Mit weniger als 300 Euro pro Monat gehört das Internat eher zu den günstigen in Deutschland. Einige Schülerinnen und Schüler haben dafür Bafög beantragt, bei anderen helfen die Eltern.

Sichtbar evangelisch

Der Andachtsraum der Evangelischen Schule für Sozialwesen Hans Georg Anniès Moritzburg.

Im Andachtsraum feiert die Schulgemeinschaft regelmäßig Gottesdienst.

Und das evangelische Profil? Josephine aus der Erzieher*innenklasse hat gezielt nach einer christlichen Fachschule gesucht: „Ich wollte den Input haben.“ In staatlichen Schulen sei der Umgang härter, weniger individuell. Das Fach religiöse Vielfalt im praktischen Handeln ist Wahlpflichtfach an der Schule. Anna, die wie viele andere hier konfessionslos aufgewachsen ist, konnte sich schnell mit dem religiösen Profil anfreunden: „Ich mag die Gemeinschaft, die auf Augenhöhe stattfindende Gesprächskultur. Man kann und darf hier individuell sein“, sagt sie.

Die "Kofferkirche" der Evangelischen Schule für Sozialwesen Hans Georg Anniès Moritzburg

Andächtig sein dürfen mit der Kofferkirche

Dann führt sie in den Andachtsraum, einen lichten, hohen Saal mit Bogenfenstern. Hier feiert die Schulgemeinschaft Gottesdienst, hier lagern auch die Unterrichtsmaterialien, die sie zum Erlernen und praktischen Erproben für Gottesdienste und Morgenkreise in Kitas oder anderen Einrichtungen einsetzen können. Zum Beispiel die sogenannte Kofferkirche – eines von Annas favorisierten Unterrichtsmaterialien. Schulleiterin Anette Fünfstück hat die Kofferkirche vor einigen Jahren entwickelt – und für ihren Heimatkirchenkreis den Missionspreis der Stiftung „Andere Zeiten“ bekommen. In der Kofferkirche ist eine Gottesdienst-Grundausstattung: Kreuz, Tücher in liturgischen Farben, Bibelgeschichtenbücher mit Lieder-CDs und ein Beutel mit bunten flachen Holzteilen, alles Symbole: Stern, Krone, Haus, Brot und Krug, Taube und Wasserwellen. Wenn man diese entsprechend auf den Boden legt, ergeben sie ein Friedenskreuz. Andere Materialien erweitern die Kofferkirchenausstattung: Tiere, biblische Erzählfiguren und andere Gegenstände, mit deren Hilfe man biblische Geschichten als Bodenbilder legen kann. „Andächtig sein dürfen, das finde ich sehr schön, das habe ich hier gelernt und weiß seitdem, wie gut das tun kann“, sagt Anna.

Förderung von Mut und Zuversicht

Schulleiterin der Evangelischen Schule für Sozialwesen Hans Georg Anniès Anette Fünfstück

Setzt sich mit Mut und christlichen Werten für die Ausbildung junger Menschen in Sozialen Berufen ein: Schulleiterin Anette Fünfstück.

Mit 20.000 Euro hat die Evangelische Schulstiftung in der EKD unter anderem Materialien der Kofferkirche, Klanginstrumente, Gesangbücher und noch mehr, was zum evangelischen Profil der Schule gehört, gefördert. Demnächst will man auch einen richtigen Altar anschaffen für die Gottesdienste und Schulandachten. Im Leitbild der Schule klingt das, was die Konsequenz aus der christlichen Haltung ist, so: „Junge Menschen zu befähigen, die Auseinandersetzung mit ihrem Inneren als Grundlage ihrer pädagogischen Handlungen und Haltungen zu verstehen, ist ein Grundanliegen unserer Schule.“

Emilio, Luca und Leonardo sind alle drei im zweiten Ausbildungsjahr zum Sozialassistenten. Luca wollte erst eine Lehre als Mechatroniker machen. Aber auf seiner Fachschule war er einer unter 1500 Schülern. Er brach die Ausbildung ab – und wechselte nach Moritzburg. „Hier wird auf jeden Schüler geachtet, ich habe das Gefühl, jeder ist wichtig“ sagt Emilio. Luca nickt. Dass sie später einmal in Berufen arbeiten werden, in denen sie voraussichtlich nicht zu Großverdienern gehören werden, störe die wenigsten, sagt Anette Fünfstück: „Wir versuchen, unseren Schülern zu vermitteln, wie viel Freude und Zufriedenheit man für sich und andere aus einer sinnstiftenden Arbeit ziehen kann.“

Klar braucht es Mut, bewusst in ein Arbeitsfeld zu gehen, wo man zwar dringend gebraucht, aber bislang noch nicht ausreichend wertgeschätzt und allzu gut entlohnt wird. Doch die Freude, die sich in den Gesichtern der Schulgemeinschaft widerspiegelt, als alle zusammen einen Elsbeerenbaum in der Mitte des Campus pflanzen, spricht dafür, dass es an Mut und Zuversicht nicht mangelt.

Text: Christiane Bertelsmann

Bilder: Martin Kirchner

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