Im Interview: Rosalie, Frieda und Jeremy, 10. Klasse der Evangelischen Schule Köpenick.

Auf unserer Fachtagung „Inklusion und KI“ diskutierten vom 14.-15. März in Berlin nicht nur Teilnehmende mit Expert*innen aus Forschung und Praxis über Chancen und Herausforderungen KI-gestützter Technik in Schulen, sondern auch Schüler*innen. Mit einem Interview-Workshop bereiteten wir sieben Schüler*innen der Evangelischen Schule Berlin Zentrum und der Evangelischen Schule Köpenick darauf vor, die Fachtagung als „KI-Detektive“ zu begleiten. Mit einem besonderen Augenmerk auf Inklusion hinterfragten sie viele Themen kritisch und gingen mit den Teilnehmenden in den Austausch über ihre Erfahrungen mit KI-Systemen. ChatGPT und andere generative KI-Systeme werden mittlerweile so selbstverständlich von Schüler*innen genutzt und haben Einzug in Lernsituationen gehalten, dass ganze Kollegien darüber diskutieren, wie etwa Prüfungsformate angepasst werden müssen und zum Beispiel verstärkt auf mündliche Prüfungsteile gesetzt werden muss. Wer kann denn noch unterscheiden, ob die vorliegende Hausarbeit durch den/die Schüler*in oder ChatGPT geschrieben wurde? Im Interview haben wir bei Rosalie, Frieda und Jeremy der Evangelischen Schule Köpenick und bei Fynn, Vitus, Makeev und Mion der Evangelischen Schule Berlin Zentrum nachgefragt.

KI im Bildungskontext: Chance oder Risiko?

Im Interview: Makeev, Fynn, Vitus und Mion, 8.-11. Klasse der Evangelischen Schule Berlin Zentrum.

Im Interview: Makeev (hinten links), Fynn (hinten rechts), Vitus und Mion, 8.-11. Klasse der Evangelischen Schule Berlin Zentrum.

Rosalie, 10. Klasse: KI bietet für mich in erster Linie ganz klare Chancen für einen inklusiven Bildungskontext. So zum Beispiel im personalisierten Lernen: Mithilfe von KI-Systemen können Menschen mit Unterstützungsbedarfen gezielt angesprochen und gefördert werden. Und wenn mithilfe von KI zum Beispiel Schüler*innen mit einer Seh- oder Gehörschwäche ganz selbstverständlich neben Schüler*innen ohne einen Unterstützungsbedarf lernen können – umso besser!

Frieda, 10. Klasse: Für mich geht es darum, wie gut KI in den Schulalltag eingebunden wird und wie verantwortungsvoll damit umgegangen wird. Das Ziel von KI im Bildungskontext sollte nicht sein, dass ich alle meine Texte und Hausarbeiten von einer KI schreiben lasse. Dann bräuchte ich die Hausaufgaben ja eigentlich auch gar nicht mehr machen… Ich denke schon, dass viele Schüler*innen auf dem Weg dahin sind. Daher finde ich es wichtig, dass die Schulen das Thema offen thematisieren und darüber informieren. Es ist wichtig, gemeinsam einen guten Mittelweg zwischen Eigenleistung und gezielte Unterstützung durch eine KI zu finden.

Jeremy, 10. Klasse: Risken sind für mich, dass viele Schüler*innen schon gar keine eigene Meinung mehr haben, sondern gleich KI-Systeme wie ChatGPT befragen. Das eigenständige Lernen und auch das kollaborative Lernen in der Gruppe leiden sehr darunter. Soziale Kontakte und auch das Bild der Lehrkraft als Vertrauensperson und Expertise leiden ebenfalls enorm, wenn ich alles nur noch mit ChatGPT mache.

Fynn, 8. Klasse: Dem stimme ich zu. Für mich ist KI im Bildungskontext eine klare Chance als Unterrichtsmittel. Aber eben nur, wenn Lehrer*innen und Schüler*innen gleichermaßen richtig verstehen, worum es da geht. Und das ist heute (noch) nicht der Fall! Wir Schüler*innen haben uns unser Wissen über KI-System selbst und/oder auf dem Schulhof gegenseitig angeeignet. Im Unterricht wird KI jedoch überhaupt nicht angesprochen oder thematisiert.

KI und Inklusion: Hat sich dein Blick dafür geschärft?

Frieda, 10. Klasse: Mein Blick auf Inklusion im Zusammenspiel mit KI wurde durch den zweitägigen Fachtag in jedem Fall geschärft! Dachte ich vorher ganz stereotypisch nur an Menschen im Rollstuhl oder mit einer Sehbehinderung, kenne ich nach einigen sehr interessanten Resonanzräumen jetzt auch ganz andere Einsatzmöglichkeiten. So zum Beispiel das Forschungsfeld der mentalen Gesundheit oder Unterstützung für Menschen mit Tourette-Syndrom, Autismus oder ADHS. Also Menschen, die neben mir in der Schule sitzen und eben nicht im Rollstuhl sitzen. Es ist großartig, dass KI hilft, diese Menschen in ihrem Lernverhalten zu unterstützen.

Makeev, 10. Klasse: Meine Vorstellungen, wofür KI im inklusiven Bildungskontext eingesetzt wird, haben sich hier bestätigt. Allerdings erst für die nächste Generation. Mein Wunsch wäre – da ich selbst kein Deutsch-Muttersprachler bin – eine entsprechende KI für deutsche Grammatik in Prüfungen einsetzen zu können. Das wird technisch und rechtlich jedoch noch einige Zeit dauern.

Was hast du fachlich und persönlich von der Fachtagung „Inklusion und KI“ mitgenommen?

Jeremy, 10. Klasse: Ich habe mir vor dem Fachtag, nicht viele Gedanken über das Thema „Inklusion und KI“ gemacht, sondern wollte das spontan auf mich zukommen lassen. Tatsächlich hätte ich mich selbst jedoch nicht so eingeschätzt, dass ich besonders viel über KI-Systeme weiß. Der Fachtag hat mir gezeigt, dass ich als native User von KI-Systemen aber durchaus mit den Expert*innen mitreden kann. Besonders spannend finde ich das Thema Individuallernen – unabhängig von einer Beeinträchtigung. Und ich habe festgestellt, dass ich mich zukünftig (noch) mehr mit KI-Systemen beschäftigen möchte.

Makeev, 10. Klasse: Der Fachtag hat mir gezeigt, dass Schulträger und Schulstiftungen als für mich Bildungsverantwortliche sich Gedanken zu dem Thema KI im Bildungskontext machen. Das beruhigt mich und ich habe etwas mehr Vertrauen in die Verantwortlichen. Ich das Gefühl habe, es bewegt sich da etwas. Wir Schüler*innen sind nicht die alleinigen Expert*innen. Und wir stehen mit der Problematik, die diese Systeme an den Schulen mit sich bringen, nicht allein dar.

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