Einige der 42 jungen Menschen, die an der neuen Schülerfirma "Naturkultour" des Evangelischen Schulzentrums Bad Düben mitwirken.

Was haben der schwedische König Gustav-Adolf, Napoleon oder der „alte Haudegen“ General Blücher mit der sächsischen Kurstadt Bad Düben gemein? Oder was erhalten Sie, wenn Ihnen „een Schälchen Heeßen“ angeboten wird? Diese und viele andere Details verraten Ihnen die Städteguides der neu gegründeten Schülerfirma „Naturkultour“ des Evangelischen Schulzentrums Bad Düben (ESZ). Die Schüler*innen der 8. und 9. Klasse bieten wahlweise geführte oder digitale Touren durch ihre Heimatstadt Bad Düben (Nordsachsen) oder die Highlights der Region Dübener Heide an. Anstoß für das Gründungsprojekt gab die Evangelische Schulstiftung in der EKD (ESS EKD) 2019 mit ihrem Modellprojekt „MO(NU)MENT MAL!“, das in ländliche Schulnetzwerke regional und überregional eingespielt wurde, um eine zukunftsgerichtete Denkweise zu fördern.

Schülerfirma geht ab heute an den Start

Zwei Schülerguides der Schülerfirma "Naturkultour" an der Bad Dübener Obermühle.

Haben sich gut auf ihre Gäste vorbereitet: Zwei Schüler-Guides beim Training an der Bad Dübener Obermühle. Foto: Kevin Phillipp

Ab heute wird das zweijährige Projekt der Gründung einer Schülerfirma für die Schüler*innen des ESZ Bad Düben real. Die Schülerfirma „Naturkultour“ darf sich nach einem Workshop und einer anschließenden Gründungsveranstaltung offiziell als eingetragene Schülergenossenschaft bezeichnen. 42 junge Menschen aus den 8. und 9. Klassen des ESZ stehen schon in den Startlöchern. Sie möchten Gästen auf vier persönlich geführten Stadtrundgängen oder vier digitalen Walks die Highlights ihrer Region näherbringen. Ab der 8. Klasse haben Oberschüler*innen und Gymnasiast*innen am ESZ Bad Düben die Wahl zwischen einem sozial-diakonischen oder einem ökologisch-ökonomischen Profilunterricht. Bei Letzterem lag der Fokus in den letzten Monaten auf der Gründung und der anschließenden aktiven Mitarbeit in einer Schülerfirma. Mit zwei Schulstunden pro Woche und erschwerten Lernbedingungen durch die Corona-Pandemie ist das persönliche Engagement der 42 Schüler*innen an dieser Stelle zu betonen. Solches Engagement wünschen sich viele Lehrkräfte auch im Klassenraum!

Die geführten Touren

Die Schülerfirma „Naturkultour“ hat vier persönlich geführte Touren im Programm. Sechs im Rahmen des Profilunterrichts ausgebildete Städteguides nehmen Gäste mit zu den Highlights ihrer Heimatstadt Bad Düben und der Region Dübener Heide.

KultTour

Der Stadtrundgang "Kultour" führt zur Bad Dübener Burg.

Die über 1.000-jährige Burg Bad Düben mit ihrem Aussichtsturm „Lug ins Land“ können Gäste auf der KultTour besuchen.

Die KultTour wird die bei Gästen beliebteste Tour der Schülerfirma werden: Ein 1,5-stündiger Stadtrundgang durch Bad Dübens interessante Historie. Die Tour führt vorbei an den kulturellen Highlights der sächsischen Kurstadt, und die spannenden Geschichten der Schüler-Guides lassen die Historie ihrer Stadt wieder aufleben. Hier erhalten Sie übrigens auch die Antworten auf die eingangs gestellten Fragen… 😉 Optional haben Gäste die Möglichkeit, ihre Tour in der Obermühle bei frischem Kaffee und hausgemachtem Kuchen ausklingen zu lassen. Das Besondere dabei: Die Schüler*innen backen und kochen hier selbst! Also noch ein Grund mehr für ein leckeres Stück Eierschecke, Bienenstich oder Stollen.

MühlenTour

Die historische Obermühle in Bad Düben.

Die Bockwindmühle aus dem Jahr 1840 in der Nähe des Bad Dübener Kurparks war noch bis 1962 in Betrieb.

Bad Düben liegt in der Mühlenregion Nordsachsen und beheimatet selbst fünf außergewöhnliche Mühlen. Dieser 1,5-stündige Rundgang startet an der Stadtmühle und führt Interessierte vorbei an Wind-, Wasser- und Schiffsmühlen – Bad Düben beheimatet wirklich alle Mühlenarten auf engstem Raum. Das Besondere dabei: Die Mühlen sind zum Teil noch voll funktionsfähig und warten darauf, entdeckt und ausprobiert zu werden. Auch hier können Gäste wieder wahlweise ihre Tour in der historischen Kulisse der Obermühle bei selbstgebackenem Kuchen und einer Tasse Kaffee ausklingen lassen.

BiberTour

Diese Tour führt Besucher*innen in den sachsen-anhaltinischen Teil des Naturparks Dübener Heide. Eingebettet in die natürlichen Flusslandschaften von Elbe und Mulde ist dieser größte Mischwald Mitteldeutschlands Heimat für eine große Biberpopulation. Die Schüler-Guides vermitteln ihren Gästen bei dieser Tour durch das Hammerbachtal alles Wissenswerte rund um den Biber, und mit etwas Glück kann das zweitgrößte Nagetier der Welt auch beobachtet werden. Anschließend kehren die Teilnehmenden in eine der letzten Köhlereien Deutschlands ein und können ihre Tour mit einer Führung durch die Räumlichkeiten oder einem Stück Kuchen abrunden.

MuldeTour

Das 15 m hohe "Rote Ufer" ist einer der schönsten Aussichtspunkte an der Mulde.

Die Mulde ist heute größtenteils unter Naturschutz gestellt, was dem Fluss eine sehr gute Wasserqualität sowie eine üppige Flora und Fauna beschert.

Von Bad Düben bis zur Mulde, dem Fluss, der im Erzgebirge entspringt und in die Elbe mündet, ist es nur ein Katzensprung. Die Schüler-Guides führen Besucher*innen durch die wunderschöne Landschaft der Mulde-Auen zum „Roten Ufer“, einem der beliebtesten Aussichtspunkte an der Mulde. Das bis zu 15 Meter hohe Ufer entstand zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert durch den Abbau von Alaun und bietet einen schönen Ausblick über die Bad Dübener Stadtteile Wellaune und Schnaditz mit seinem Wasserschloss. Die Niedermühle beherbergt eine der besten Bäckereien der Region und lädt auf dieser Tour zu einer ausgiebigen Rast ein.

Die digitalen Touren

Für ihre digitalen Stadtrundgänge haben sich die Schüler*innen die Plattform DigiWalk mit ins Boot geholt. Ausgearbeitete Walks führen Gäste durch die Highlights der Region – digital und kontaktlos bieten sie eine spannende Alternative zu den geführten Touren. Unter dem Motto „Schüler für Schüler“ haben die Schüler*innen des ESZ vier abwechslungsreiche Walks durch Bad Düben konzipiert und mit informativen Texten und Bildern versehen. Die App startet mit vier möglichen Rundgängen, von denen derzeit jedoch nur einer in der App angezeigt werden kann – drei weitere sind auf Anfrage möglich.

„An der digitalen Umsetzung unserer Stadtführungen können wir noch so viel machen, das Feld bietet sehr viel Ausbaupotenzial“, sagt Udo Reiss, Projektverantwortlicher der Schülerfirma „Naturkultour“. „Wir haben hier noch viel vor und möchten für die Zukunft die digitalen Walks zusätzlich mit selbstgedrehten Videos und einer Audioguide-Funktion unterlegen.“

Und so einfach geht’s: Handy an, DigiWalk-App kostenlos herunterladen und mit einem digitalen Walk durch Bad Düben starten!

Das Herz der Schülerfirma: Die Schüler*innen selbst

Zwei der sechs Städteguides der Schülerfirma "Naturkultour": Lucy Tischer und Laura Körner.

Sehen die Arbeit in der Schülerfirma als Chance für ihre Zukunft: Städteguides Lucy Tischer (r.) und Laura Körner. Foto: Kevin Phillipp

Der Start der Schülerfirma ist das Ergebnis monatelanger Arbeit, die durch die anhaltende Corona-Pandemie zum Teil erheblich erschwert wurde. Das theoretische Knowhow konnte Udo Reiss, Projektleiter am ESZ, seinen Schüler*innen gut in Präsenz- und Distanzunterricht vermitteln. Hier haben sich die jungen Menschen selbst die favorisierte Rechtsform für ihre Schülerfirma erarbeitet. „Für das, was wir mit der Schülerfirma vorhaben, haben sich alle Schüler*innen geschlossen für eine Schülergenossenschaft ausgesprochen. Das passt thematisch am besten zu uns“, teilt Udo Reiss mit. So wird „Naturkultour“ zu einer eingetragenen Schülergenossenschaft mit allem, was dazu gehört. Die zukünftige Geschäftsführung wird aus Lucy Tischer und Elias Jacob bestehen. Lucy Tischer sieht ihre Aufgabe als Geschäftsführerin und Städteguide als echte Chance für ihre Zukunft: „Für mich ist es eine ideale Möglichkeit, um Verantwortung zu übernehmen und mich in dieser Funktion ein Stück weit auszuprobieren.“ Des Weiteren gibt es in der Schülerfirma eine Finanzabteilung, einen Marketing- und Online-Marketingbereich sowie Schüler*innen, die sich unter anderem um die Gastronomie und Logistik kümmern.

Mit großem Engagement haben die Schüler*innen sich in ihre Funktionen eingearbeitet, den Realbetrieb der Schülerfirma trainiert und die Gründung bestens vorbereitet. So wurden zum Beispiel Outfits für die Guides designt sowie Flyer für die angebotenen Touren erstellt. Die jungen Menschen haben eine eigene Homepage für „Naturkultour“ kreiert, über die die Touren angefragt und gebucht werden können. Und selbst Social Media Marketing via Facebook und die Suche nach Partnern für die Schülerfirma wurden bedacht.

Die Städteguides

Die größte Außenwirkung haben natürlich die sechs Städteguides Lucy Tischer, Laura Körner, Eva Rum, Joyce Renner, Jonas Jäckel und Julius Gehrmann. Mutig, selbstbewusst und mit einem großen touristischen Knowhow führen sie ihre Gäste an die schönsten Plätze der Stadt. Neben all dem Fachwissen und den vielen spannenden Geschichten ragen jedoch einige Eigenschaften der Schüler-Guides heraus: ihr junges und erfrischend anderes Wesen, ihre ehrliche Neugier auf die Gäste und ihr Stolz, die Highlights ihrer Region vor Publikum präsentieren zu dürfen.

Training, Training, Training

Die Trainings der Schüler*innen als Vorbereitung auf den Echtbetrieb wurden durch die anhaltenden Corona-Pandemie sehr erschwert. Kreativität und Flexibilität waren hier gefragt! So trainierte Udo Reiss die sechs Städteguides einzeln und mit entsprechendem Abstand auf dem Schulhof. „Wir haben den Stadtplan von Bad Düben gedanklich auf den Schulhof projiziert und uns einfach vorgestellt, wir laufen durch die Stadt…“

Besonderen Spaß hat allen Beteiligten das kulinarische Training bereitet. So haben die Mitwirkenden der Gastronomie-Abteilung sich durch die regionalen Kuchenrezepte gebacken – Verkostung natürlich inklusive. 😉

Lernen fürs Leben

Schülerfirmen sind bewährte Modelle, um Schulkontexte verantwortungsvoll zu bereichern. Der Schülerschaft werden ganz neue und praxisnahe Lernwege abseits des Kernlehrplans eröffnet. Diese wirken als „versteckter Unterricht“ oft nachhaltiger und eindrucksvoller auf die Schülerinnen und Schüler. So barg die Arbeit an der Gründung der Schülerfirma „Naturkultour“ viele Überraschungen für alle Beteiligten. Die meisten Schüler*innen wuchsen aneinander und mit dieser Arbeit über sich hinaus. „Hier lernen meine Schüler*innen, worum es wirklich geht im Leben“, so Projektleiter Udo Reiss. Lernen fürs Leben und vielfältige Potenziale und Begabungen in einen gemeinsamen Erfolg verwandeln – dies könnte als Fazit unter dem Projekt „Naturkultour“ stehen.

Hintergründe

Logo des Förderprogramms "Mo(nu)ment Mal!"Die Arbeit an der Schülerfirma „Naturkultour“ geht auf das im Jahr 2019 durch die ESS EKD verantwortete und durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderte Projekt „MO(NU)MENT MAL!“ zurück. Mit dem Anspruch “Kultur ist Gewinn” suchten Schüler und Schülerinnen des ESZ Bad Düben Zugänge, um ihr Kulturerbe für die Nachwelt zu bewahren und mit innovativen Ideen neu zu erobern.

Konkrete Inspiration und Impulse zu neuen Firmengründungen an Schulen in evangelischer Trägerschaft setzt die ESS EKD zudem auch mit ihrer im Juni 2021 erschienen Publikation „Wenn Schülerinnen und Schüler zu Unternehmerinnen und Unternehmern werden“. Die Publikation wurde in der Reihe Förderungen der ESS EKD (Heft 6) veröffentlicht, kann kostenlos unter ess@ekd.de bestellt oder unter https://www.schulstiftung-ekd.de/publikationen/ heruntergeladen werden.

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