Den 1. Platz des Förderprogramms Sichtbar Evangelisch 2021 gewinnt Das Paulinenlädchen der Karl-Preising-Schule Bad Arolsen. Bild: Martin Kirchner.

Die Prämierung des bundesweiten Förderprogramms „Sichtbar evangelisch 2021„, das in diesem Jahr bereits zum fünften Mal ausgeschrieben war, fand am 29.09.2021 in Dresden statt. Unter dem Motto „Lernen mit Unternehmergeist: inklusiv, verantwortlich und lebensnah“ wurden vier evangelische Schulen ausgezeichnet. Insgesamt wurde eine Fördersumme in Höhe von 8.000 Euro ausgeschüttet. Die Stiftung suchte mit ihrem Programm erfolgreiche Schülerfirmen oder vergleichbare Formate, die Vielfalt und Inklusion gezielt mitdenken und befördern wollten. Die Prämierung der vier vielversprechendsten Schülerfirmen fand vor rund 70 geladenen Gästen in der feierlichen Atmosphäre der Dreikönigskirche statt. Unter ihnen Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, der in seiner Festrede von Schulen in evangelischer Trägerschaft als haltgebende und inspirierende Lernorte sprach. Zusätzlich zu den geladenen Gästen bot die ESS EKD allen Interessierten an, der Veranstaltung digital beizuwohnen.

Hochkarätig besetzt: Die Prämierungsfeier

Die 70 geladenen und zahlreichen digitalen Gäste wurden in der Dreikönigskirche in Dresden vom Vorstandsvorsitzenden der Evangelischen Schulstiftung in der EKD, Herrn Wolfgang v. Rechenberg, durch ein interessantes und abwechslungsreiches Abendprogramm geführt. Den Auftakt zu der Veranstaltung bot eine Besinnung von Tobias Bilz, Landesbischof der ev.-luth. Landeskirche Sachsens.

Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD. Bild: Martin Kirchner.

Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, beleuchtet in seiner Festrede die haltgebenden und mutmachenden Aspekte, die Schulen in evangelischer Trägerschaft Kindern und Jugendlichen als Lebens- und Lernorte bieten.

Mit Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzendem der EKD konnte die Schulstiftung eine herausragende Persönlichkeit für die Festrede der Veranstaltung gewinnen. „…dass ich wunderbar gemacht bin.“: Der Ratsvorsitzende der EKD beleuchtete in seiner Rede die haltgebenden und mutmachenden Aspekte, die Schulen in evangelischer Trägerschaft Kindern und Jugendlichen als Lebens- und Lernorte bieten.

Durch die anschließende Preisverleihung „Sichtbar evangelisch 2021“ führte Oberkirchenrat und Vorsitzender des Stiftungsrates der ESS EKD Sönke Krützfeld. Gemeinsam mit den drei Laudatoren Dr. Roman Rösch, Tobias Jarzombek-Guth und Tobias Bilz würdigte Krützfeld die vier vielversprechendsten Schülerfirmen, die sich für das Förderprogramm der ESS EKD beworben hatten. Sowohl Dr. Roman Rösch, ehemaliger langjähriger Geschäftsführer der Deutschen Schulakademie, als auch Tobias Jarzombek-Guth, Pädagogischer Geschäftsführer der ESS EKD waren Jurymitglieder des Förderprogramms „Sichtbar evangelisch 2021“. In ihren Laudationes kamen sowohl eine fachliche Expertise zum Thema Schülerfirmen, als auch die Verbundenheit zu Schulen in evangelischer Trägerschaft zum Ausdruck. Abgerundet wurde der Festakt durch eine Prämierungsrede des Theologen und ehemaligen Kultusministers von Sachsen-Anhalt, Stefan Dorgerloh. In seiner Rede zum Thema Unternehmergeist und Innovation verknüpfte er die theologische und wirtschaftliche Bedeutung von Schülerfirmen und appellierte daran, der Kreativität junger Menschen Raum zu geben.

Thema der diesjährigen Ausschreibung

Sichtbar evangelisch 2021: Lernen mit Unternehmergeist - inklusiv, verantwortlich, lebensnah.Mal Hand aufs Herz: Wie sieht der Alltag in Schulen aus? Vielfach prägen eine Fülle an Unterrichtsstoff, tradierte Abläufe oder Ressourcenknappheit das schulische Leben. Der Bildungsbegriff kann hierbei oft nur verkürzt gedacht werden und beschränkt sich vielfach auf die Inhalte der Kernlehrpläne. Umfassendes, realitätsnahes und nachhaltiges Lernen braucht jedoch einen kreativen und abwechslungsreichen Rahmen. Je bunter sich Lernsettings präsentieren oder Lernorte variieren, desto besser! Und genau hier setzt das Modell einer Schülerfirma an: Realitätsbezug, Lebensnähe und Handlungsorientierung sind ihre typischen Charakteristika. Sie sind seit vielen Jahren bewährte Modelle, um Schulkontexte verantwortungsvoll zu bereichern und der Schülerschaft ganz neue und praxisnahe Lernwege abseits des Kernlehrplans zu eröffnen.

Daher suchte die Evangelische Schulstiftung in der EKD mit ihrer diesjährigen Ausschreibung “Sichtbar evangelisch 2021” Schülerfirmen oder vergleichbare Formate, die insbesondere die Themen Vielfalt und Inklusion gezielt betrachten und befördern wollen. Evangelische Schulen sind ganzheitliche Bildungsstätten, die sich Herausforderungen stellen und für neue Ideen, Konzepte und Formate öffnen. Gerade abseits eines vermeintlichen „Bildungsmainstreams“ werden Schulen in evangelischer Trägerschaft als wertvoll und besonders erlebt, da sie Innovationskraft entfalten und dabei ihre Wertorientierung klar kommunizieren. Mithilfe von Schülerfirmen schaffen Schulen vielfältige Lernarrangements und machen Lernende zu selbstwirksamen Akteuren.

Die prämierten Projekte

Platz 1: Das Paulinenlädchen

Das Paulinenlädchen ist ein Kiosk im benachbarten Seniorenheim.

Auf Platz 1 wurde das Paulinenlädchen der Karl-Preising-Schule Bad Arolsen ausgezeichnet.

Ausgezeichnet wurde auf Platz 1 mit einer Fördersumme von 3.000 Euro das Paulinenlädchen der Karl-Preising-Schule Bad Arolsen. In der Berufsorientierungsstufe der Schule werden zurzeit etwa 50 Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung unterrichtet. Ein maßgeblicher inhaltlicher Schwerpunkt der Arbeit in den letzten Schulbesuchsjahren der jungen Menschen ist die Vorbereitung auf die nachschulische Arbeitswelt. Ein grundlegendes Konzept ist neben dem Klassenunterricht die 2x wöchentliche individuelle Arbeitserprobung in verschiedenen Berufsfeldern. Im Berufsfeld „Einzelhandel / Übungsladen / Lageristik“ wurde vor einigen Jahren zunächst ein Raum
als eigener „Übungsladen“ eingerichtet. Aus diesem Übungsladen entstand im März 2018 durch eine Kooperation mit einem benachbarten Seniorenheim die eigene Schülerfirma: Schülerinnen und Schüler der Berufsorientierungsstufe betreiben einen Kiosk – das Paulinenlädchen –  im „Helenenheim“. Vorbereitende Arbeiten für die Schülerfirma waren zunächst:

  • Entwicklung eines Fragebogens zu den Einkaufswünschen der Bewohner
  • Durchführung und Auswertung der Befragung
  • Erstellen eines Produktsortiments
  • Einkauf des Grundsortiments in ortsansässigen Supermärkten
  • Ermittlung von Einkaufs- und Verkaufspreisen für die kostendeckende Umsetzung
  • Erstellen von Preisschildern
  • Einrichten und Präsentieren der Waren im Lädchen

Seitdem stehen die jungen Menschen an drei Tagen in der Woche zu festgelegten Öffnungszeiten während ihrer Schulzeit in Kontakt mit den Bewohnerinnen und Bewohnern und können ihre Waren zum Kauf anbieten. Das Angebot umfasst vor allem Pflege- und Drogerieartikel, Zeitschriften, Süßigkeiten, Getränke und Schreibwaren. Zusätzlich bieten die Schüler*innen einen Einkaufsservice für mobilitätsbeeinträchtigte Bewohner*innen des Heims an sowie einen Verkauf an der Zimmertür für Menschen, die den Weg zum Kiosk nicht (mehr) allein bewältigen können.

Das Paulinenlädchen wurde in der Zeit seit seiner Eröffnung sehr rege frequentiert und der Schule erschien sehr schnell die Anbahnung eines speziellen Berufsfeldes „Soziale Dienstleistungen“ überlegenswert. Zentrale Idee des Berufsfeldes „Soziale Dienstleistungen“ ist es, dass die Schülerinnen und Schüler über den eigentlichen Ladenverkauf hinaus in Kontakt und Austausch mit den älteren Menschen kommen und der Laden selbst als Basis für ein wachsendes „Mit“einander und „Für“einander verstanden wird. Neben dem möglichen Wachsen in sozialen Kompetenzen soll im Rahmen der Ladenarbeit eine sinnvolle und ausfüllende Tätigkeit für die Jugendlichen auf ganz unterschiedlichen sozialen und kognitiven Entwicklungsstufen angeboten werden.

Zukünftige Pläne der Schülerfirma: Im Paulinenlädchen arbeiten die jungen Menschen bisher vorrangig mit Listen in Papierform, um Abrechnungen, Kassenstand sowie den Lagerstand zu bestimmen bzw. zu überprüfen. Mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung und das Ziel, möglichst realitätsnahe Arbeitsangebote zu gestalten, wäre eine Umstellung auf digitale Arbeitsweisen (z.B. durch den Einsatz eines Scannersystems in Kombination mit einer IPad-Kasse) sehr sinnvoll. Zudem entspräche die bildhafte Darstellung der Waren den jungen Menschen und ihrer bevorzugten Zugangsweise. Aufgrund ihrer geistigen Beeinträchtigung fällt es ihnen häufig schwer, abstrakte Abläufe wie denen im kaufmännischen Bereich gedanklich zu folgen, was durch den Einsatz eines digitalen Kassen- und Lagersystems kompensiert werden könnte.

Platz 2: Das Café Milchschaum

Über Platz 2 des Förderprogramms "Sichtbar evangelisch 2021", dotiert mit 2.500 Euro, freute sich das Café Milchschaum der Sprach- und Lernförderschule mit Internat Calw-Stammheim.

Gestalteten die Vorstellung ihres Projektes in der Dreikönigskirche sehr interaktiv: Die Preisträgerinnen des Cafés Milchschaum.

Über Platz 2 des Förderprogramms „Sichtbar evangelisch 2021“, dotiert mit 2.500 Euro, freute sich das Café Milchschaum der Sprach- und Lernförderschule mit Internat Calw-Stammheim. Mitarbeitende der Schülerfirma sind 24 Schüler*innen der Klassen 6-9 gemeinsam mit ihren 4 Lehrer*innen. Das Café Milchschaum wurde im Schuljahr 2014/2015 gegründet. Die vielfältigen Kommunikations- und Handlungsmöglichkeiten, die eine eigene Schülerfirma, und hier der betrieb eines Cafébetriebs, bietet, haben die Schule mit dem Schwerpunkt Sprache überzeugt. In der Schülerfirma haben jungen Menschen die Möglichkeit, den gesamten Prozess der Herstellung von Waren, deren Vermarktung, Verkauf und Auslieferung zu verfolgen. Das Besondere am Konzept des Cafés Milchschaum: Die Arbeit in der Schülerfirma ist fester Bestandteil des wöchentlichen Welt-Arbeit-Gesundheit Unterricht. Alle Schüler*innen sammeln im Rahmen dieses Unterrichts in Kombination mit der praktischen Arbeit im Café Erfahrungen in den folgenden fünf Bereichen:

  1. Buchhaltung: Führen eines Kassenbuchs, Schreiben von Rechnungen, Bankgeschäfte
  2. Service: Training zum Verhalten in Verkaufs- und Bediensituationen mittels Rollenspiel und Videoanalyse
  3. Produktion: Herstellung verschiedener Backwaren und haltbarer Produkte sowie Produktion für Catering-Aufträge
  4. Verpackung: Herstellung verschiedener Verpackungen für die Produkte (Tüten, Schachteln sowie Berechnung des MHD)
  5. Werbung: Öffentlichkeitsarbeit und Erstellung von Werbemitteln

Der zentrale Mehrwert für die Schüler*innen durch die Mitarbeit in der Schülerfirma ist der Erwerb von berufsspezifischen Qualifikationen. Vor dem Hintergrund einer Sprach- und Lernförderschule sind Qualifikationen wie Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Persönlichkeitsentwicklung, Übernahme für die Herstellung von Produkten und eine gute Reflexionsfähigkeit am wichtigsten.

Zusätzlich zum laufenden Cafébetrieb veranstaltet die Schülerfirma jährliche Veranstaltungen wie einen Weihnachts- oder Osterbestellshop, Catering für interne Veranstaltungen oder eine Martinsgänse-Spenden-Aktion für das Sprachheilzentrum. Geplant ist die Gründung und der Aufbau einer Zusammenarbeit mit einem inklusiven Café in Calw-Stammheim. Eine Kooperation mit einem ortsansässigen Bioladen sowie eine stufenweise Umstellung auf regionale und fair gehandelte Produkte gehören zu den weiteren Zielsetzungen des Cafés Milchschaum.

Platz 3: Der eineweltladen am Bach

Eine Schülerin zeigt die aktuelle T-Shirt Kollektion 2021 des eineweltladens.

Eine Schülerin zeigt die aktuelle T-Shirt Kollektion 2021 des eineweltladens. Foto: Eineweltladen J.S. Bach-Gymnasium

Den 3. Platz des Förderprogramms „Sichtbar evangelisch 2021“, dotiert mit 2.000 Euro, erlangte die Schülerfirma eineweltladen am Bach des Johann-Sebastian-Bach-Gymnasiums Mannheim. Übergeordnetes Ziel der aktuellen Schulentwicklung am Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium ist es, eine kooperative Lernkultur zu erschaffen, in der Schüler*innen Verantwortung für ihr eigenes Lernen übernehmen und zugleich einen verständnisvollen, hilfsbereiten Umgang mit anderen einüben. Im Zentrum dieses Entwicklungsprozesses steht ein individualisiertes, differenziertes und selbstgesteuertes Lernen. Begleitet durch intensive Lerncoachings entscheiden Schüler*innen zunehmend freier, in welchem Rahmen, anhand welcher Inhalte und in welcher Zusammensetzung sie lernen. Variierende Lernorte und anregende Lernsettings spielen in diesem Prozess eine wichtige Rolle.

Der eineweltladen des Bach-Gymnasiums ist ein solcher Ort! Schüler*innen erlernen wirtschaftliche
Zusammenhänge und Abläufe. Sie kümmern sich um Ein- und Verkauf, diskutieren über die Nachhaltigkeit von Produkten und faire Arbeitsbedingungen. Sie gestalten Kleidung kreativ im Team und reflektieren mögliche Schwierigkeiten. Dabei bringen Schüler*innen unterschiedlicher Altersklassen ihre Begabungen auf unterschiedliche Weise ein und erleben sich gegenseitig als bereichernde Lernpartner*innen. Die Arbeit am/im/rund um den eineweltladen ist ehrenamtlich und Teil des alltäglichen Lernprozesses. Unterstützt werden die Schüler*innen von Lehrerkräften und Eltern, die ihre jeweiligen Perspektiven und Kompetenzen mit einbringen. Die Schülerfirma eineweltladen ist ein idealer Ort, um lebensnah und realitätsbezogen verantwortliches Handeln zu erlernen und zu spüren, wie bereichernd vielfältige Talente und Perspektiven sind. Gründe sind seine Konzentration auf ökologische und fair gehandelte Produkte, seine Einbindung in den Stadtteil (der Laden steht allen Bürger*innen offen) und seine Non-Profit-Struktur (alle Gewinne werden an soziale Projekte gespendet).

Der eineweltladen ist aus einem kleinen Schokoladenverkaufsstand bei kirchlichen Veranstaltungen Anfang der 90er Jahre hervorgegangen. Das Ladengeschäft befindet sich heute auf 30 qm direkt neben dem Haupteingang der Schule und ist für alle Bürger*innen frei zugänglich. Die Kernöffnungszeiten sind Montag bis Freitag zwischen 10 und 16 Uhr. In den vergangenen Jahren konnten die jungen Menschen ihr Sortiment im eineweltladen stark ausweiten: Derzeit bieten sie rund 600 verschiedene fair gehandelte Produkte an. Sie führen Schmuck, Papeterie- Artikel, Hygiene-Artikel, Lebensmittel, Textilien, Geschenkartikel, Geschirr, Taschen, Kinderspielzeug und vieles mehr. In Zukunft möchten sie vor allem immer wieder neue Textilkollektionen anbieten, um modisch aktuell zu bleiben. Sie planen weitere Motivwettbewerbe für fair gehandelte T-Shirts. Der nächste Wettbewerb wird zum Thema „Vielfalt“ ausgeschrieben.

Die aktuelle T-Shirt Kollektion 2021 des eineweltladens.

Bei schulinternen Designwettbewerben kreieren die Schüler*innen ihre eigene Mode. Foto: Eineweltladen J.S. Bach-Gymnasium

Der gesamte Erlös des eineweltladens fließt in soziale Projekte, die die Schüler*innen selbst auswählen. Unter anderem konnten sie schon ein Projekt von Mati e. V. unterstützen, welches Frauen, die Kinder mit einer Behinderung haben, einen sicheren Ort und eine Lebensperspektive bietet. Außerdem spendete die Schülerfirma an die Mountain School in Nepal, um den Schüler*innen dort Schuluniformen, Schulrucksäcke, Materialien und Mittagessen zu finanzieren. Der eineweltladen ist am Bach-Gymnasium ein inspirierender Lernort, der Inhalte unterschiedlicher Fächer für die Schüler*innen auf sinnvolle Weise verknüpfbar und erfahrbar werden lässt. Als Fairtrade Schule bindet das Gymnasium die Idee des fairen, nachhaltigen Handels und Handelns immer wieder in den Unterricht ein. Fairer Handel wird insbesondere in den Fächern Gemeinschaftskunde, Wirtschaft und Geografie thematisiert. Der eineweltladen ist im Stadtteil Mannheim-Neckarau eine kleine „Institution“ und erfreut sich bei Kunden aus dem Stadtteil, die nicht zur Schulgemeinschaft gehören, großer Beliebtheit. Vor allem die schuleigene Kleiderfirma KEAFEA ist sehr beliebt. Auch überregional wird die KEAFEA-Kollektion von Schüler*innen auf Modenschauen wie beim „Fairhandelskongress“ in Köln 2019 oder dem „Festival der Taten“ im Mannheimer Rosengarten präsentiert. Die Idee des fairen Handelns wird zudem stetig jugendnah auf Instagram und anderen Medien verbreitet.

Der eineweltladen soll junge Menschen früh an die Option des fairen Handels
heranführen und ethisches Bewusstsein beim Konsumieren stärken. Die Schüler*innen erwerben spielerisch wirtschaftliches Grundwissen, verknüpfen ihr in unterschiedlichen Schulfächern erworbenes Wissen und erkennen globale Zusammenhänge einzelner Handlungen. Sie erleben sich in ihrem Lernprozess verantwortlich für andere und ihre Umwelt. Die Non-Profit-Struktur des Ladens lässt die Schüler*innen die Erfahrung teilen, dass wirtschaftliches Handeln sehr wohl Spaß machen kann, auch wenn es nicht an persönliche Bereicherung gekoppelt ist.

Sonderpreis: Der Nimm-und-Gib-Laden Unverblühmt

Bild: Martin Kirchner.

Marie Appenrodt, Anna Lisa Kalus und Annemarie Luttmann nahmen stolz den Sonderpreis für ihr Projekt „Unverblühmt“ entgegen.

Für den Nimm-und-Gib-Laden Unverblühmt des Evangelischen Gymnasiums Neuruppin lobte die Jury des Förderprogramms „Sichtbar evangelisch 2021“ zusätzlich einen Sonderpreis von 500 Euro für eine besonders originelle Umsetzung des Aspektes Innovationskraft aus. Die Schüler*innen des Evangelischen Gymnasiums Neuruppin erleben das gemeinsame Lernen in ihrer Schule so, dass sie sich nach innen und außen öffnen können. Dazu tragen offene Unterrichtsformen und Projekttage ebenso bei wie ein diakonisch-soziales Praktikum, die Pflege von Schulpartnerschaften und ein vielfältiges Angebot von Arbeitsgemeinschaften. Im Rahmen dieser besonderen pädagogischen Förderung haben die Schüler*innen die Möglichkeit, im wöchentlich zweistündigen Seminarkurs der gymnasialen Oberstufe – also im Unterricht – ihre individuellen Ideen in Form eines eigenen Projektes umzusetzen.

Das Projekt von sechs Schülerinnen des Nimm-und-Gib-Ladens Unverblühmt basiert auf einem sehr einfachen Prinzip: dem Tauschen. Der Tauschladen soll darauf aufmerksam machen, dass es nicht immer das Neueste sein muss, denn Second Hand bietet eine umweltschonende Alternative zu einem Neukauf. Die Wenigsten machen sich Gedanken darüber, wieviel (ökologischer und ökonomischer) Aufwand hinter einem einzigen T-Shirt oder einer Jeans im Used-Look steckt. Und dabei denken noch weniger Konsument*innen an die Menschen, die zumeist unter schlechten Arbeitsbedingungen und mit einem geringen Lohn diese Produkte herstellen, damit diese uns in Deutschland zum geringstmöglichen Preis zur Verfügung stehen. Insgesamt möchte der Tauschladen die Schulgemeinschaft des Evangelischen Gymnasiums Neuruppin auf eine kritische Betrachtung der Konsumgesellschaft aufmerksam machen. Zudem schafft der Laden für Schüler*innen aus finanziell schwachen Familien eine Möglichkeit, moderne Klamotten ohne Geld zu ertauschen, indem sie Dinge von sich selbst mitbringen, die sie nicht mehr benötigen und die dennoch in einem guten Zustand sind. Bei dem Nimm-und-Gib-Laden Unverblühmt geht es also darum, eine Welt zu erschaffen, in der Geld keine Rolle spielt.

Die aktuelle Kollektion des Tauschladens Unverblühmt.

Klein aber digital: Hier können auch per Instagram Termine vereinbart werden. Foto: Evangelische Schule Neuruppin

Unverblühmt eröffnete das erste Mal im Jahr 2016 und wird derzeit seit August 2020 in der dritten Generation von sechs Schülerinnen geführt. Der Laden, der in einem ehemaligen Lehrerarbeitsraum des Gymnasiums untergebracht ist, ist vollkommen in das schulische Alltagsleben integriert. Er öffnet in den Pausen für alle Schülerinnen und Schüler sowie für die Lehrerschaft. Zusätzlich bietet er auch außenstehenden Personen Raum zu tauschen, da auch per Instagram Termine vereinbart werden können. Um eine gute Qualität und Vielfalt zu gewährleisten, kaufen die Schülerinnen als Grundlage für ihren Laden einmal im Jahr in Second Hand Läden gebrauchte Produkte ein. Damit sie zukünftig darauf verzichten können, sortiert ein 3-Punkte-System die Kleidung nach Qualität und Tauschwert. Um komplett finanziell unabhängig zu werden, benötigen die jungen Menschen eine Starthilfe, um einen fairen Tausch langfristig garantieren sowie die Existenz des Ladens langfristig sichern zu können. Da ist die Prämierung von 500 Euro also sehr gut angelegt!

Auswahlkriterien der Jury

Die Jury für „Sichtbar evangelisch 2021“ setzt sich generell aus der Geschäftsführung der Evangelischen Schulstiftung in der EKD, Mitgliedern der Stiftungsgremien und Schulleitern zusammen. Darüber hinaus legt die Stiftung Wert auf theorie- und praxisnahe Fachleute aus Wirtschaft und Wissenschaft, die den jeweiligen Themenschwerpunkt der Ausschreibung begleiten. Abgerundet wird sie durch eine mediale Expertise. In diesem Jahr begleitete das Förderprogramm eine hochkarätige Jury, der zum Beispiel Prof. Dr. Stefan Doose von der Fachhochschule Potsdam, Prof. Dr. Axel Plünnecke vom Institut der Deutschen Wirtschaft oder Zuhal Mössinger-Soyhan, Moderatorin des Bayrischen Rundfunks angehörten.

Auswahlkriterien für alle eingereichten Bewerbungen stellten die sieben Kategorien Innovationskraft, Professionalität, Wirtschaftlichkeit, Lebensnähe, Nachhaltigkeit, evangelische Erkennbarkeit sowie inklusives Potenzial dar. Die Jury bewertete die einzelnen Kategorien mit jeweils 1 bis 5 Punkten (1: wenig erfüllt, 3: erfüllt, 5: besonders erfüllt). Neben diesen „harten“ Faktoren zur Professionalität und Wirtschaftlichkeit waren für die Prämierung der eingereichten Projekte auch weitere, „weiche“ Aspekte relevant. So zum Beispiel der Aspekt „Lernen mit Unternehmergeist“: Welche Lernprozesse gibt es, wo sind diese angesiedelt und wie viele verschiedene schulische und außerschulische Partner sind beteiligt? Wie vollzieht sich das „Lernen mit Unternehmergeist“ aktuell? Wie viel Innovationskraft ist demnach bei bereits etablierten Schülerfirmen noch erkennbar? Oder auch die Frage nach dem evangelischen Selbstverständnis: Ist es klar erkennbar und wie und wo wird es erlebbar bzw. sichtbar gemacht?

Beurteilung Paulinenlädchen

Die Berufsorientierungsstufe der Karl-Preising-Schule hat aus dem klassischen Format eines „Übungsladens“ zur Vermittlung lebenspraktischer Kompetenzen innerhalb der Schule einen Kiosk außerhalb der Schule aufgebaut und etabliert. Durch die Verbindung mit der schuleigenen AG „Soziale Dienstleistungen“ konnte im März 2018 ein Seniorenheim als Standort gewonnen werden. Schnell wurde die Dienstleitung des Kiosks ausgeweitet und um einen Einkaufsservice sowie einen mobilen „Laden auf Rädern“ ergänzt. Dabei wurde ein erkannter Bedarf aktiv beantwortet und so unternehmerisches Handeln gut erkennbar. Auch die Möglichkeit, über den Kontakt in das Seniorenheim hinein weitere Optionen für die Weiterentwicklung der Schülerinnen und Schüler zu eröffnen, wurde genutzt. So konnten Plätze für feste Tagespraktika entstehen und in das Angebot der Schule integriert werden. Klar definiert werden innerhalb der Bewerbung die zukünftigen Pläne zur Weiterentwicklung des Paulinenlädchens – hier besonders digitalen Möglichkeiten der Kalkulation, Abrechnung und Warenbestandserfassung.

Beurteilung Café Milchschaum

Eine Auswahl an selbstgebackenen Produkten des Cafés Milchschaum.Das Café Milchschaum überzeugte die Jury von „Sichtbar evangelisch 2021“ dadurch, dass sämtliche Prozesse (Buchhaltung, Produktion, Service und Verpackung) rund um das Betreiben eines Cafés Gegenstand der Lernumgebung sind. Verknüpfungen zu verschiedenen Unterrichtsfeldern werden gezielt genutzt, und jede Schülerin / jeder Schüler durchläuft im Rahmen der eigenen Möglichkeiten alle Prozessschritte. Dabei ist eine hohe Professionalität in der Umsetzung, und auch in der Darstellung des Projekts erkennbar. Das Projekt existiert schon über einen längeren Zeitraum und ist zu einem festen Bestandteil des lebenspraktischen Unterrichts in den Klassen 6-9 geworden. Ebenso ist der inklusive Charakter hoch: Eine starke Vernetzung in den Sozialraum wird gut dokumentiert und bindet die Schüler*innen der Sprach- und Lernförderschule in den kommunalen Kontext aktiv ein.

Beurteilung eineweltladen am Bach

Der eineweltladen des Bach-Gymnasiums in Mannheim bringt ein hohes Maß an Professionalität und Nachhaltigkeit mit und ist ein funktionierendes Unternehmen, das auch im lokalen Kontext gut eingebettet ist und entsprechend angenommen wird. Ehrenamtlich betrieben, fließt der Gewinn des eineweltladens in weitere soziale Projekte. Der Gedanke der Nachhaltigkeit und des fairen Wirtschaftens zieht sich stringent durch die Arbeit des eineweltladens und dokumentiert dabei auch das christliche Wertefundament der Schule. Zwar braucht dieses ziemlich umfangreiche Projekt vermutlich relativ viel Begleitung durch Lehrkräfte und Eltern, doch die Jury sieht hier immer noch ausreichend Lernfelder für die Schüler*innen verschiedener Altersklassen. Ein hohes Maß an schulinterner Vernetzung stellt eine vielfältige Förderung der Schüler*innen sicher.

Beurteilung Nimm-und-Gib-Laden Unverblühmt

Ein relativ kleines Team, nur eine Handvoll Schülerinnen, macht etwas ganz Eigenes, Spannendes, ohne Gewinnabsicht und relativ untypisch in einer konsumorientierten Gesellschaft. Es wird nichts von außen zugefügt, das System trägt sich aus sich selbst heraus – das ist ein anderer Ansatz wirtschaftlichen Denkens, den die Jury honorieren möchte. Der innovative Charakter wird z.B. auch durch die Möglichkeit einer Terminvereinbarung über Instagram deutlich. Die Schülerinnen bilden mit ihrem Nimm-und-Gib-Laden ihre eigene Lebenswirklichkeit besonders gut ab.

Hintergründe zu „Sichtbar evangelisch 2021“

Das Förderprogramm „Sichtbar evangelisch“ wurde 2015 von der Evangelischen Schulstiftung in der EKD ins Leben gerufen und begeistert seitdem jedes Jahr mit einem neuen Thema. Das Programm lebt von dem durchweg positiven und dankbaren Feedback der teilnehmenden Schulen in evangelischer Trägerschaft und hat sich über die Jahre zu einem der Aushängeschilder der Stiftung entwickelt. Die ESS EKD beabsichtigt, mit dem sich wiederholenden Ausschreibungsformat das religiöse Wirkungsfeld von evangelischen Schulen deutlicher in den Fokus zu rücken, und die bundesweite Wahrnehmung von Bildungseinrichtungen in evangelischer Trägerschaft zu stärken.

 

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